17 Sep 2017

Unzufrieden als Kunde: Schlichtung statt Gerichtsstreit

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(kunid) Wer sich als Konsument über einen Vertragspartner ärgert und mit ihm keine Einigung im Streitfall erreicht, kann versuchen, sein Recht mithilfe eines Rechtsanwaltes und einer Gerichtsklage durchzusetzen. Doch die Anwalts- und Gerichtskosten sind oftmals hoch. Alternativ gibt es seit einiger Zeit Schlichtungsstellen, die eine kostenlose und unbürokratische Hilfe für Verbraucher bieten, um Konflikte mit Händler oder Dienstleister zu regeln.

Es gibt schon länger eine EU-Richtlinie des Europäischen Parlaments, nach der es in jedem EU-Land für Streitigkeiten zwischen Kunden und Unternehmern statt einer Gerichtsklage auch andere Möglichkeiten gibt, damit ein Konsument sein Recht einfordern kann.

Für fast alle Streitigkeiten bezüglich Verbraucherverträgen mit österreichischen Unternehmen wurden hierzulande entsprechende staatlich anerkannte Streitbeilegungsstellen für eine außergerichtliche Schlichtung, auch AS-Stellen (Alternative Streitbeilegungsstellen) genannt, eingerichtet. Grundlage dafür ist hierzulande das sogenannte Alternative-Streitbeilegung-Gesetz (AStG).

Schlichtung ist für den Verbraucher kostenlos

Wer als Kunde Ärger wegen einer bestellten oder bereits gelieferten Ware, Arbeit eines Handwerkers oder sonstigen in einem Kauf- oder Dienstleistungsvertrag zugesicherten Leistung einer Firma hat, kann also statt mit einer Gerichtsklage sein Verbraucherrecht über eine AS-Stelle einfordern.

Ein solches Schlichtungsverfahren vor einem unparteiischen und unabhängigen Schlichter wird laut Bundeskanzleramt, „in der Regel kostenfrei, rasch (innerhalb von 90 Tagen) sowie vertraulich abgewickelt werden“. Das Schlichtungsverfahren bei AS-Stellen ist normalerweise gebührenbefreit, außer es werden Kosten gesetzlich oder in den Verfahrensregeln der jeweiligen Schlichtungsstelle vorgeschrieben. Diese Kosten dürfen jedoch für Verbraucher nur geringfügig sein.

Eigene anfallende Kosten für Porto, Fahrtkosten oder auch, wenn man sich von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, was bei einer Schlichtung vor einer AS-Stelle jedoch nicht vorgeschrieben ist, hat die jeweilige Streitpartei selbst zu tragen. Ist der Verbraucher mit dem Schlichtungsergebnis nicht einverstanden, kann er immer noch gegen das betreffende Unternehmen gerichtlich vorgehen.

Zahlreiche Schlichtungsstellen

Nachfolgend gibt es hierzulande folgende acht außergerichtliche Streitschlichtungs-Stellen (AS-Stellen):

Darüber hinaus gibt es auch die Online-Streitbeilegungs-Plattform der Europäischen Kommission für Streitigkeiten aus Onlineverträgen, die Verbraucher mit einer Firma aus einem EU-Mitgliedstaat über das Internet abgeschlossen haben.

Keine AS-Stellen gibt es für Streitigkeiten über Gesundheitsdienst-Leistungen zum Beispiel Streit mit Ärzten, für Streitigkeiten mit öffentlichen Anbietern von Weiter- oder Hochschulausbildung und für Streitigkeiten über Immobilienkaufverträge, da das AStG für diese Bereiche nicht gilt.

Unverbindlich, aber sinnvoll

Eine Schlichtungsstelle kann eine Schlichtung nur aus bestimmten Gründen verweigern, wenn dies gesetzlich oder in der Verfahrensordnung vorgeschrieben ist. Darunter fallen Streitigkeiten,

  • die bereits vor Gericht oder einer anderen Verbraucher-Schlichtungsstelle behandelt werden,
  • für die vorab keine Einigung mit dem betreffenden Unternehmen versucht wurde,
  • deren Streitwert niedriger oder höher ist, als die von der zuständigen AS-Stelle vorgegebenen Mindest- oder Höchstgrenzwerte oder
  • die seit der Beschwerde beim betreffenden Unternehmen länger als ein Jahr zurückliegen.

Derzeit ist die Teilnahme an den Streitbeilegungs-Verfahren und die Umsetzung einer Schlichterempfehlung für die meisten Unternehmer noch freiwillig, außer sie sind bereits per Gesetz, Satzung oder sonstige vertragliche Vereinbarungen dazu verpflichtet. Warum es für den Konsumenten dennoch sinnvoll sein kann, ein Schlichtungsverfahren anzustoßen, bevor man sich gerichtlich auseinandersetzt, erklärt das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) im Konsumentenportal.

Hier ist zu lesen: „Auch wenn das Unternehmen einer Empfehlung der Schlichtungsstelle nicht folgen sollte, bietet das Verfahren oft die Chance, zu einer fachlichen Einschätzung der Lage zu kommen, die auch für ein allfälliges Gerichtsverfahren nützlich sein kann. Daher sollte man auf die Einschaltung einer Schlichtungsstelle nur dann verzichten, wenn das Unternehmen definitiv nicht an einer außergerichtlichen Lösung interessiert ist und auch keine vor Gericht verwertbaren Ergebnisse des Schlichtungsverfahrens zum Beispiel ein Sachverständigen-Gutachten erwartet werden können.“

Kostenschutz für alle Fälle

Um ein Streitschlichtungs-Verfahren anzustoßen, muss sich der Verbraucher zuerst an die Schlichtungsstelle wenden. Wurde jedoch bereits ein Gerichtsverfahren gegen einen Unternehmer angestrengt, ist in der Regel der für den Verbraucher kostenlose Schlichtungsweg über eine Schlichtungsstelle im Nachhinein nicht mehr möglich. Wer jedoch zuerst eine Streitbeilegung über die Schlichtungsstelle versucht und mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, kann immer noch mithilfe einer Gerichtsklage versuchen, seine Forderungen oder sein Recht durchzusetzen.

Das Kostenrisiko eines Gerichtsstreits lässt sich mit einer bestehenden, passenden Privatrechtsschutz-Polizze umgehen, wenn ein entsprechender Vertragsrechtsschutz vereinbart ist. Der Rechtsschutzversicherer übernimmt zum Beispiel die Prozesskosten für zahlreiche Vertragsstreitigkeiten aus Verbraucherverträgen des täglichen Lebens wie aus Kaufverträgen für Möbel oder Elektrogeräte, wenn der Versicherer vorab eine Leistungszusage gegeben hat.

Weitere Details zur Verbraucherschlichtung enthalten das Bürgerportal des Bundeskanzleramtes (www.help.gv.at) und das Konsumentenportal des BMASK (www.konsumentenfragen.at), sowie die herunterladbare Broschüre „Miteinander statt gegeneinander – der Weg zur Schlichtung“ des BMASK.

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